Inhaltsverzeichnis:
1. Datenschutz, Serverkapazitäten und blanke Nerven
Egal, auf welchem sozialen Medium man sich tummelt, überall lauern Kommentare, Tweets und Hashtags völlig genervter Lehrkräfte, Eltern und Schüler/innen über schwierige Kommunikation oder pandemiebedingte Home-Schooling Situationen. Deutsche Lernmanagementsysteme (kurz: LMS) und Kommunikationsplattformen standen wegen Anmeldungsproblemen, abgebrochenen Videokonferenzen und Angriffen durch Dritte heftig in der Kritik. Spätestens als das SWR über die Verbannung von Microsoft Teams aus den Klassenzimmern berichtete, wurden die Stimmen derjenigen Eltern laut, die ebenfalls von Zuhause aus arbeiten. Bei ihnen sei die tägliche Nutzung von Teams, Zoom, Skype und Co. Gang und Gäbe – ohne andauernde Schwierigkeiten. Warum das in Schulen und Kitas (teilweise) nicht erlaubt sei und stattdessen Unterrichtsausfall aufgrund technischer Hürden in Kauf genommen werde, lauteten daraufhin berechtigte Fragen.
2. Amerika, die EU und der Datenschutz
Seit knapp zwei Jahren gilt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU und regelt die Verarbeitung personenbezogener Daten – auch an Schulen und Kitas. Für Laien inhaltlich leider nicht immer auf den ersten Blick zu verstehen. Ziel ist es, wie aus Artikel 1.2 der Verordnung hervorgeht, die “Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen” zu schützen. Um das ganze Debakel in seinem Kontext etwas besser verstehen zu können, müssen wir ein paar Jahre ausholen:
1995, kurz nach der Kommerzialisierung des Internets, trat die Richtlinie 95/46/EG der Europäischen Gemeinschaft in Kraft, die dafür sorgte, dass personenbezogene Daten aus EU-Mitgliedsstaaten grundsätzlich nur noch an Staaten übertragen werden durften, deren Datenschutz ein dem EU-Recht vergleichbares Niveau aufwiesen. Seitdem finden zwischen der EU und den Vereinigten Staaten Verhandlungen statt. Bis zu dessen Ungültigkeitserklärung im Oktober 2015 durch den Europäischen Gerichtshof galt der Safe Harbor Pakt. Knapp ein Jahr später trat die Nachfolgevereinbarung Privacy Shield in Kraft, die im Sommer letzten Jahres ebenfalls für ungültig erklärt wurde. “Die Hauptüberlegung des Europäischen Gerichtshofs war, dass sich Sicherheitsbehörden in den Vereinigten Staaten Zugang zu den Daten von Europäern verschaffen können, die in den USA bei den Unternehmen liegen”, erklärt der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Thomas Petri in einem Bericht des BR. Auch, wenn die Relevanz für Schulen übertragen nicht gleich sichtbar erscheint: in der Zukunft mag das Auswirkungen auf die jetzigen Schülerinnen und Schüler haben.
Spätestens Edward Snowden hat uns gezeigt, welche Masse an Daten “für alle Fälle” in den USA gespeichert werden. Und die Netflix-Dokumentation “The Social Dilemma” macht deutlich, wie unsere Daten für den kommerziellen Zweck benutzt werden.
Zoom beispielsweise läuft über Amazon Web Services (AWS), den Cloud-Computing-Anbieter von Amazon, der bereits 2006 von Jeff Bezos ins Leben gerufen wurde. AWS ist mit etwa einem Drittel Anteil weltweit Marktführer in Sachen Cloud-Systeme (siehe Abbildung).
Als amerikanisches Unternehmen unterliegt es dem sogenannten Patriot Act. Dieser wurde als Reaktion auf den 11. September 2001 zum Schutz vor Terror erlassen und ermöglicht den US-Sicherheitsbehörden Zugriff auf die Server von US-Unternehmen – ohne richterlichen Beschluss und auch auf die ihrer ausländischen Tochterfirmen. Selbst wenn lokale Gesetze, wie die DSGVO, dies untersagen. Die Tatsache, dass AWS auch Server-Standorte in Deutschland besitzt, bedeutet dabei noch lange nichts: “Dass ein Unternehmen Server in Deutschland nutzt, hat nur einen Vorteil, wenn das Unternehmen auch deutschem Recht unterliegt”, meint Dirk Tiede, behördlicher Datenschutzbeauftragter in NRW.
3. Digitale Infrastruktur – was ist das überhaupt?
Solche Enthüllungen lassen darauf schließen, dass uns die USA in Sachen digitale Infrastruktur meilenweit voraus sind. Die größten und einflussreichsten Internetkonzerne stammen von dort: Facebook, Amazon und Google, um nur die absoluten Megastars zu nennen. Was versteht sich überhaupt unter dem Begriff digitale Infrastruktur?
Infrastruktur ist laut Duden ein “notwendiger wirtschaftlicher und organisatorischer Unterbau als Voraussetzung für die Versorgung und die Nutzung eines bestimmten Gebiets”. Damit sind in der Regel die Energieversorgung, Nahverkehr, Supermärkte etc. gemeint. Mit dieser bildlichen Vorstellung lässt sich das Ganze einfach auf das “digitale” Gebiet übertragen: schneller Internetzugang in jedem Haushalt, mobile Daten und Mobiltechnologie, öffentliches WLAN sowie Anzahl, Vernetzung und Qualität der Serverzentren. Im schulischen Kontext bedeutet das noch konkreter: leistungsfähiges WLAN im gesamten Schulgebäude, zeitgemäße Hardware (Tablets und Computer mit einem Standard, der auch in der Wirtschaft gilt) zugänglich für jedes Schulmitglied, schulische Mailadressen, Cloud sowie einfache und direkte Kommunikationsmöglichkeit zwischen Lehrkräften, Eltern und Schüler/innen.
Nicht nur die Verbreitung und Verfügbarkeit einer digitalen Infrastruktur sind entscheidend für den Fortschritt, sondern es geht auch darum, wie häufig und intensiv diese Ausstattung genutzt wird. Natürlich gibt es dabei eine gegenseitige Wechselwirkung: Je besser die Ausstattung, desto höher die Nutzung. Und je höher die Nutzung, desto mehr wird wiederum in Ausstattung investiert.
Das gibt bereits einen Hinweis darauf, dass sich Technologien stetig verändern und eine bestimmte Entwicklungsrichtung nicht immer vorhersehbar ist – sie geht mit der Lebensrealität der Nutzer:innen Hand in Hand.
4. Deutschland hinkt den USA um Jahre hinterher
Und genau dort lassen sich Unterschiede zwischen den Ländern feststellen. In einer Vergleichsstudie zwischen Deutschland und den USA im Jahr 2017 wurde ersichtlich, dass Deutschland einen völlig anderen, deutlich lockereren, Zeitrahmen bei der digitalen Transformation anpeilte als Amerika. Im Jahr 2016 gehörte Digitalisierung für nur 50 % der befragten deutschen Unternehmen zu den Top-3-Themen. Die größten Hindernisse für die digitale Transformation seien dabei zumeist innerhalb der Unternehmen zu verzeichnen: jeder dritte Konzern bezeichnete sich 2017 als zu langsam und unflexibel gegenüber den Anforderungen und jeder 5. befürchtete einen Arbeitsplatzabbau durch den Ausbau digitaler Strukturen.
Am erschreckendsten jedoch mag das folgende Ergebnis sein: die Digitalisierung wurde aufgrund der Verteidigung der bestehenden Strukturen nicht vorangetrieben – und zwar bei 50 % der Unternehmen. Wie gut diese Herangehensweise ist, zeigt die außergewöhnliche Zeit rund um Corona, in der die vorhandenen Strukturen in allen möglichen Sektoren alles andere als “ausreichend” sind. Hier lässt sich ein grundlegender Unterschied in der Haltung zwischen Deutschen und US-Amerikanern feststellen: sie sehen Chancen, wo Deutsche Risiken fürchten. In den USA hatte die Digitalisierung bereits 2017 eine grundlegend höhere Bedeutung und dort war man sich sicher, bereits innerhalb von maximal drei Jahren positive Effekte dadurch auf das eigene Unternehmen zu verzeichnen. In Deutschland war der Fokus eher “längerfristig” gerichtet. Auch im Umgang mit der Technik sahen Unternehmen ihre Mitarbeitenden unterschiedlich: in den USA erachteten 90 % ihre Mitarbeiter:innen für qualifiziert genug, um den digitalen Wandel mitzugehen, in Deutschland mit 42 % nicht einmal die Hälfte davon.2
Schlussfolgernd ergibt sich also ein logischer Zusammenhang aus der aktuellen Misere: dass Zoom, Teams etc. funktionierten, während Anfang Januar etliche deutsche Anbieter an Problemen arbeiteten, liegt nicht daran, dass die Anbieter von Übersee schlichtweg besser sind – sie brachten einfach bereits jahrelange Erfahrung mit, hatten ihre größten Probleme vermutlich schon lange, bevor sie durch die Pandemie für jedermann so sichtbar werden konnten. Die ganze innere Haltung in Deutschland ist weniger zukunftsorientiert und offen. Veränderung verursacht hier deutlich mehr Verunsicherung als anderswo – natürlich spiegelt sich das in der mangelhaften Infrastruktur wider. Corona hat das auf eine bittere Art und Weise verdeutlicht.
5. Nutzerzentrierung und Schnelligkeit im Fokus
“Digitalisierung bedeutet, Bestehendes infrage zu stellen und nach radikalen Lösungsansätzen zu suchen. Dafür müssen neue Strukturen, Entscheidungsprozesse und Methoden geschaffen werden, die Innovation und Geschwindigkeit fördern”, heißt es wörtlich im Bericht von etventure. Dass digitale Transformation geschehen wird, ist unausweichlich und lediglich eine Frage der Zeit. Die Ergebnisse der Vergleichsstudie haben gezeigt: es fehlt hierzulande noch immer an Schnelligkeit und Flexibilität, an Nutzer- und Umsetzungsorientierung, aber auch an der nötigen Offenheit für den digitalen Wandel.
Nutzerzentrierung heißt: die Probleme der potenziellen und aktuellen Nutzer bzw. Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Und diese Probleme als Anlass für schnelle und präzise Entwicklung zu nutzen, um adäquate Lösungen und Erleichterungen im Alltag bieten zu können. Das ist ein stetiger Prozess, denn, um es mit den Worten unseres CEO zu sagen: “Wachstum und Innovation verlaufen niemals linear. Fortschritt geht niemals von 0 auf 100.” Sondern er fordert alle Beteiligten der Gesellschaft, so wie in Amerika: Unternehmen, Arbeitnehmer:innen, politische Funktionäre und alle, die auf der anderen Seite des Bildschirms sitzen. Und mit dem gleichen Willen, der in den USA schon vor Jahren präsent war, und den daraus resultierenden notwendigen Arbeitsschritten, schaffen auch wir es, den gleichen Status in Deutschland zu etablieren.
6. Etablierung eigener Systeme bringt Vorteile
Die Haltung “Hauptsache es läuft, Datenschutz egal” ist höchstens eine Übergangslösung, aber keine langfristige Perspektive. Deutschland und die EU sollten den gleichen Anspruch an sich selbst hegen, der in den USA schon vor ein paar Jahren vertreten war. Wird das Ruder für die digitale Transformation in unserem Land selbst in die Hand genommen, bringt das etliche Vorteile mit sich: Deutsche Unternehmen unterstehen deutschem Recht und was mit den eigenen Daten passiert, ist für Bürger:innen leichter nachzuvollziehen. Digitale Umgebungen und Lösungen können spezifisch für die Bedürfnisse der Anwender:innen konzipiert werden und schlussendlich hilfreicher und effizienter sein. Das passiert auf einem agilen Markt – und der schafft Arbeitsplätze. Die hiesige Angst vor Stellenabbau ist Studien zufolge nämlich unbegründet: Digitalisierung schafft Arbeitsplätze und ermöglicht neue Berufsfelder.
7. Sdui macht’s vor
Dass das möglich ist, zeigt unsere eigene Firmengeschichte exemplarisch. Vor ziemlich genau drei Jahren begann die Reise als GmbH mit fünf Mitarbeitern und einer Vision: Das Problem der mangelhaften Schulkommunikation beseitigen und dafür sorgen, dass die Informationen da ankommen, wo sie gebraucht werden: datenschutzkonform, sicher und verständlich.
Mittlerweile ist daraus ein fast 100-köpfiges Unternehmen geworden und die App wird von hunderttausenden Nutzern in ganz Deutschland und auch international verwendet. Weil wir ein Problem zum Anlass genommen haben, verschiedene Funktionen und eine Lösung dafür zu entwickeln. Diese Reise ist lange nicht zu Ende und keine Station ist perfekt, aber das gehört zu Fortschritt dazu. Wie gesagt: Nicht von 0 auf 100, aber erfolgreich, wenn sich alle auf den Prozess der digitalen Transformation einlassen und zusammenarbeiten.